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Das Objekt

Bedrucktes Stoffstück, auf dem ein Fisch abgebildet ist, der aus dem Wasser herausschaut. Der untere, sich im Wasser befindliche Teil des Fisches besthet nur aus Gräten. Darüber steht der Text "Umkehr zum Leben", darunter "1. Pleißegedenkumzug, 5. Juni

Stoffaufnäher zum 1. Pleißegedenkumzug in Leipzig am 5. Juni 1988

Mit dem "Gedenkumzug" entlang des Flusses Pleiße wollten kirchliche Umweltgruppen anlässlich des Weltumwelttags auf die Verschmutzung der Pleiße aufmerksam machen. Die rund 230 Teilnehmer des Umzugs erhielten diesen Aktionsaufnäher. Unter ihnen war auch IM "Peter Becker": Er bespitzelte im Auftrag der Stasi Umwelt- und andere Basisgruppen sowie die Organisatoren und Teilnehmer des Pleißegedenkumzugs.

Quelle: BArch, MfS, BV Leipzig, KD Leipzig-Stadt, Nr. 5310, Bd. 1, Bl. 189

Warum ging die Stasi gegen Umweltschützer vor?

Umweltverschmutzung war in der DDR allgegenwärtig. Das SED-Regime verschwieg die Ursachen und das Ausmaß. In den 80er Jahren entstanden überall in der DDR Umweltgruppen: Sie machten Umweltschäden öffentlich und forderten Maßnahmen dagegen. Die Stasi bekämpfte diese Gruppen als "staatsfeindlich". Zugleich dokumentierte sie aber auch die Schäden und informierte die SED. Auch die Auswirkungen auf die Gesundheit waren der Staatspartei und ihrer Geheimpolizei bekannt.

Vortrag Erich Mielkes vor SED-Parteihochschülern über "subversive[n] Angriffe des Gegners und innerer Feinde", 16. November 1984 (Auszug)

Mielke behauptete, kirchliche Basisgruppen seien vom Westen gesteuert, um die DDR "anzugreifen". Die Bemühungen der Aktivisten, an die geheimen staatlichen Umweltdaten zu kommen, hielt er für geheimdienstliche "Abschöpfung".

Quelle: BArch, MfS, ZAIG, Tb, Nr. 83

Luftaufnahme einer großen, in starke Abgas- und Dampf gehüllten Industrieanlage.

VEB Braunkohlenveredelung in Espenhain, 80er Jahre

Die SED-Industriepolitik war auf Produktionssteigerungen ausgerichtet. Nachhaltigkeit spielte keine Rolle, Umweltschäden nahm die SED-Führung wissentlich in Kauf. Die Folgen waren unverkennbar.

Quelle: Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Fotograf: Jürgen Hanisch

Ein DIN A4-Blatt mit zwei aufgeklebten Fotos. Oben Blick auf den Uferbereich der Pleiße mit sich farblich absetzenden Abwässern im Wasser. Unten Blick auf ein Rohr, aus dem Abwässer in den Fluss rinnen.

Stasi-Fotodokumentation zur Verschmutzung der Pleiße durch Abwässer bei Böhlen, Januar 1989

Viele Kläranlagen in der DDR waren veraltet, marode, außer Betrieb. Auch im sächsischen Böhlen gelangte das Abwasser Tausender Haushalte ungeklärt in die Umwelt. Die Stasi dokumentierte den Zustand, ermittelte die Hintergründe und berichtete der SED – ohne dass daraus Konsequenzen gezogen wurden.

Quelle: BArch, MfS, BV Leipzig, Abt. XVIII, Nr. 673, Bl. 17

An lächelnder man steht auf einer an eine Kirchenfassade gelehnten Leiter. Anscheinend hat er gerade ein bunt beschriebenes Bettlaken an der Fassade angebracht. Auf diesem Transparent steht: "Wir pflanzen bäume, 20.11., ab 9 Uhr".

Ankündigung einer "Baumpflanzaktion" an der St. Georgenkirche in Rötha, 1982

Die Kirchen gaben den Umweltaktivisten Freiräume, sich zu organisieren und Aktionen zu planen. Manche Gemeinden erlaubten ihnen, Druckgeräte für Flugblätter und Zeitschriften zu nutzen.

Quelle: Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Fotograf: Jürgen Hanisch

Was war die HA XX/4?

Die HA XX bildete den Kernbereich der politischen Überwachung und Repression der Staatssicherheit. Ihre Abteilung 4 überwachte die Kirchen, Religionsgemeinschaften und Sekten. Das 1983 eigens zur Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT) gegründete Referat V "bearbeitete" vornehmlich kirchliche Basisgruppen. "PUT" bedeutete im Stasi-Jargon die schwerste Form staatsfeindlichen Verhaltens.

Der Bericht formuliert die Unterstütrzung von Basisgruppen durch Kirchenmitarbeiter als gegen das SED-Regime gerichtet, listet Maßnahmen der Stasi gegen Pfarrer und Gruppen auf und erklärt die Maßnahmen der Stasi als erfolgreich. Am Schluss werden zukünftige Maßnahmen aufgelistet. Seite 1
Der Bericht formuliert die Unterstütrzung von Basisgruppen durch Kirchenmitarbeiter als gegen das SED-Regime gerichtet, listet Maßnahmen der Stasi gegen Pfarrer und Gruppen auf und erklärt die Maßnahmen der Stasi als erfolgreich. Am Schluss werden zukünftige Maßnahmen aufgelistet. Seite 2

Sachstandsbericht der HA XX/4 zum ZOV "Konflikt", 14. September 1988 (Auszug)

Das Referat V der HA XX/4 in der Stasi-Zentrale Berlin koordinierte die Bekämpfung der Umweltgruppen. Ziel war es, einzelne Mitglieder zu "zersetzen" und die Gruppen durch Schikanierungen zu entmutigen.

Quelle: BArch, MfS, HA XX, Nr. 23782, Bl. 1 u. 5

Eine Menschengruppe steht neben einer Kirche aus hellem Backstein und unterhält sich.
Eine Menschengruppe steht neben einer Kirche aus hellem Backstein

Stasi-Beobachtungsfotos der Mahnwache vor der Ost-Berliner Zionskirche nach der Durchsuchung der Umweltbibliothek (UB) durch die Geheimpolizei, 28. November 1987

Die UB war ein Zentrum der DDR-Umweltbewegung. Die Stasi durchsuchte sie am 25. November 1987, fand aber keine Beweise für "PUT". Westmedien, auch in der DDR empfangbare Radio- und Fernsehsender, berichteten über den Fall und machten die UB so über die Szene der Basisgruppen hinaus in der DDR bekannt.

Quelle: BArch, MfS, HA XX, Fo, Nr. 43, Bild 49 (oben) u. 53

Wer war IM "Peter Becker"?

"Peter Becker" war von März bis September 1988 IM der KD Leipzig-Stadt und berichtete über die Basisgruppen aus dem Umfeld der Leipziger Nikolaikirche. Er hatte einen Deal mit der Stasi: Spitzeldienste gegen Ausreise in die Bundesrepublik.

Stasi-Kurzauskunft über "Peter Becker", 12. Juli 1988

Die Stasi warb den IM an, weil er Zugang zur Szene der Ausreise-Antragsteller (ÜSE) hatte. Diese genossen, wie die Umweltgruppen, den Schutz der Kirchen. "Peter Becker" gelangte an Informationen zum 1. Pleißegedenkumzug, nahm daran teil und berichtete der Stasi darüber.

Quelle: BArch, MfS, BV Leipzig, KD Leipzig-Stadt, Nr. 5310, Bd. 1, Bl. 193–196

Passbild eines Mannes, anonymisiert
Passbild einer Frau, anonymisiert

"Peter Becker" und seine Frau, um 1988

Die Ehefrau von "Peter Becker" war keine Unbekannte für die Stasi. 1982 bis 1985 war sie unter dem Decknamen "Assistentin" selbst IM gewesen. Nach der durch die Stasi ermöglichten Übersiedlung in den Westen im Oktober 1988 blieb das Paar in Kontakt zur DDR-Staatssicherheit: Die Stasi erwog eine Fortsetzung der Zusammenarbeit in der Bundesrepublik.

Quelle: BArch, MfS, BV Leipzig, KD Leipzig-Stadt, Nr. 5310, Bd. 1, Bl. 185, Bild 4 (oben) u. Bild 2

Woher stammt der Aufnäher?

Nach der Übersiedlung von "Peter Becker" in den Westen schloss sein Führungsoffizier die IM-Akte und gab sie ins Archiv der BV Leipzig. Er sammelte aber weiterhin Material zu dem IM. Diese Unterlagen, darunter den Aufnäher, bewahrte er in seinem Büro auf. Das Stasi-Unterlagen-Archiv verzeichnete die Sammlung als "Sachakte". Sachakten sind über Schlagwörter recherchierbar.

Eingangsportal an einer Ecke eines großen, repräsentativen Bürogebäudes mit Sandsteinfassade aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Standort Leipzig des Bundesarchivs – Stasi-Unterlagen-Archivs, um 2018

Im Stasi-Unterlagen-Archiv Leipzig lagern die Unterlagen der BV Leipzig und ihrer 13 KD: insgesamt 5 736 lfm Schriftgut und 3 000 lfm verfilmte Akten sowie Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen und andere Medien. Zudem hinterließ die Stasi in Leipzig 2 305 Säcke voller Papierschnipsel, zerstörter Filme, Fotos und Tonbänder.

Quelle: Bundesarchiv

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Das Bild zeigt ein Foto zweier Männer, die hinter einer Mauer stehen und mit Ferngläsern in Richtung des Fotografen schauen.
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Schwarz-Weiß-Foto einer Menschenmenge, die einen Panzer umringt, auf dem bewaffnete Soldaten sitzen.
Ein Blatt, auf dem drei Fahrkarten nebeneeinander aufgeklebt sind. Auf der rechten steht in lila Schrift "Rückfahrt".
Ein aus rotem Krepppapier gebasteltes "A", verziert mit getrockneten Blättern.
Handschriftlich verfasstes Textdokument, an einer Stelle ist etwas anonymisiert.
Stasi-Karteikarte in DIN A6, blass gelbfarben.
Abbildung einer auf einem Bettlaken selbst gemalten Fahne der Tschechoslowakei.
Das Polaroidfoto zeigt eine tapezierte Wand vor der ein Telefon steht. Neben dem Telefon ist eine elektronische Apparatur zu sehen. Diese wurde auf dem Polaroidfoto mit einem roten Pfeil markiert.
Ein handschriftlich mit Kugelschreiber beschriebenes Stück Toilettenpapier.
Abbildung eines Aktendeckels, auf einem Aufkleber steht "OPK-Akte", da drunter Registriernummer und andere archivarische Angaben.
Maschinell beschriebener Zettel, auf dem von links unten nach rechts oben ein dicker roter Strich gedruckt ist. Absender ist der Leiter des Amts für Nationale Sicherheit, Bezirksamt Erfurt.
Handschriftliche Planskizze mit den Standort des Toten Briefkastens "Brücke" im Waldgebiet Lührmannwald in Essen und dessen Umgebung im Stadtgebiet.
Karte der Stadt Güstrow, durch die Stasi mit Eintragungen mit Bezug zum bevorstehenden Besuch Bundeskanzler Schmidt in Güstrow versehen. Aufgeklebte Fotos zeigen die geplanten Stationen der Besucherdelegation im Stadtgebiet, farbige Markierungen zeigen markieren Einsatzorte und Bereitstellungsräume der Sicherheitskrafte.
Karteikarte im Format DIN A4 quer mit persönlichen Angaben zu Erich Mielke.
Handschriftliche Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit der Stasi als IM Gerhard von Rainer Schedlinski, Seite 1
Anscheinend unbemerkt gemachtes Schwarz-Weiß-Foto zweier Männer, die ein Gebäude betreten.
Das Blatt aus dem Fotoalbum trägt die Überschrift: "Liebevolle Fürsorge für unsere Kleinen - schaffen froher Ferienerlebnisse bei Sport und Spiel - das sind auch unsere Aufgaben". Das Blatt zeigt sieben Fotos. In der Mitte ist Erich Mielke mit Mädchen in Turntrikots zu sehen, die er anscheinend auszeichnet. Die anderen zeigen Kinder in einem Kindergarten und Junge Pioniere im Ferienlager, unter anderem bei einem Appell, beim Sackhüpfen und bei militärischen Übungen mit einem Kinderpanzer und Kindersturmgewehren.
Bedrucktes Stoffstück, auf dem ein Fisch abgebildet ist, der aus dem Wasser herausschaut. Der untere, sich im Wasser befindliche Teil des Fisches besthet nur aus Gräten. Darüber steht der Text "Umkehr zum Leben", darunter "1. Pleißegedenkumzug, 5. Juni '88, Weltumwelttag
Zwei uniformierte und bewaffnete Soldaten stehen in einem Hof neben einer Plakette, die an die dort stattgefundene Ermordung Ernst Thälmanns erinnert. Vor und neben ihnen ist eine Vielzahl von Blumengestecken und Blumenkränzen.
Der Zettel ist mit Eintragungen, Stempeln und Unterschriften der zahlreichen Stellen übersäht, die Flüchtende im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde zu besuchen hatten.
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