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Das Objekt

Karte der Stadt Güstrow, durch die Stasi mit Eintragungen mit Bezug zum bevorstehenden Besuch Bundeskanzler Schmidt in Güstrow versehen. Aufgeklebte Fotos zeigen die geplanten Stationen der Besucherdelegation im Stadtgebiet, farbige Markierungen zeigen markieren Einsatzorte und Bereitstellungsräume der Sicherheitskrafte.

Planungskarte der Stasi zur Überwachung des Besuchs von Bundeskanzler Helmut Schmidt und DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker in Güstrow am 13. Dezember 1981

Im Dezember 1981 kam Schmidt zu einem deutsch-deutschen Gipfeltreffen in die DDR. Unter dem Decknamen "Dialog" überwachte die Stasi den Besuch, so auch den Aufenthalt in der Stadt Güstrow. Kontakte zwischen dem Bundeskanzler und der Bevölkerung sollten verhindert, Zwischenfälle ausgeschlossen werden. 4.883 Stasi-Kräfte waren im Einsatz.

Quelle: BArch, MfS, Kartensammlung, Nr. 321

Wie reagierte die Stasi auf die Entspannungs­politik?
 

Im Zuge der Ost-West-Entspannung öffnete sich der SED-Staat ab den 70er Jahren punktuell gegenüber dem Westen. Die Aufgabe der Stasi war es, diesen neuen Kurs geheimpolizeilich abzuschirmen, also das Eindringen westlicher Einflüsse zu verhindern oder zumindest zu begrenzen sowie Ost-West-Kontakte scharf zu überwachen. Dabei bereiteten Besuche westlicher Politiker in der DDR und Großveranstaltungen mit Westbeteiligung wie die Leipziger Messe der Stasi besondere "politisch-operative Probleme".

Bundesminister Egon Bahr (links) und DDR-Staatssekretär Michael Kohl nach der Unterzeichnung des "Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" im Haus des Ministerrats der DDR in Ost-Berlin am 21. Dezember 1972

Die Stasi betrachtete die unter anderem mit dem "Grundlagenvertrag" vereinbarte Annäherung zwischen Ost und West äußerst kritisch. So hatte Erich Mielke bereits zwei Jahre vor der Unterzeichnung des Vertrags den sowjetischen KGB eindringlich vor dem "westdeutschen Imperialismus" gewarnt: Mit ihrer Entspannungspolitik wolle die Bundesrepublik lediglich die sozialistischen Staaten beschädigen. Doch auch Mielke musste sich letztlich mit der neuen politischen Großwetterlage abfinden.

Quelle: Bundesregierung, B 145 Bild-00004566 / Schaack, Lothar

Blick von oben auf eine dichtgedrängte Menschenmenge, viele mit einem freudigen Gesichtsausdruck. Inmitten der Menge ein verzweifelt wirkender Volkspolizist in Uniform.
Blick aus einer Menschenmenge heraus auf das Hotel Erfurter Hof. Viele Menschen winken in die Richtung eines geöffneten Fensters im ersten Obergeschoss. Am Fenster steht Willy Brandt.

Stasi-Fotos der Menschenmenge vor dem Hotel "Erfurter Hof" während des Besuch von Willy Brandt in der DDR, 19. März 1970

Ein Trauma für die Stasi war die fehlgeschlagene "Absicherung" des Besuchs von Bundeskanzler Willy Brandt 1970 in Erfurt. Trotz umfassender Kontrollmaßnahmen jubelte eine große Menschenmenge vor dem Hotel "Erfurter Hof" dem westdeutschen Kanzler zu. Derartige "Vorkommnisse" wollte die Stasi künftig unbedingt vermeiden.

Quelle: BArch, MfS, BV Erfurt, AS, Nr. 4/71, Bd. 2, Bild 44 (oben) und Bd. 9, Bild 73

Ein verzweigtes Fließdiagramm, das zahlreiche Stasi-Diensteinheiten, Sicherheitsbehörden, Transport- und Gastgewerbedienstleister in Verbindung miteinander darstellt. Unten in der Mitte ein Textfeld: „Das Zusammenwirken der operativen Diensteinheiten und der anderen an der Sicherung der Leipziger Messe beteiligten Sicherheits-, Staats- und Wirtschaftsorgane“.

Stasi-Schaubild zum "Zusammenwirken der operativen Diensteinheiten und der anderen an der Sicherung der Leipziger Messe beteiligten Sicherheits-, Staats- und Wirtschaftsorgane", 1969

Die Leipziger Messe war für die DDR ein wichtiger Faktor im Ost-West-Handel und diente dem SED-Regime regelmäßig als Bühne für internationale Politikerbesuche. Für die Stasi bedeutete die Messe bis zum Ende der DDR stets Großeinsatz. So auch im September 1989:  2.371 Stasi-Mitarbeiter waren zur Überwachung der Messe eingesetzt.

Quelle: BArch, MfS, BV Leipzig, BdL, Nr. 1813, Bl. 64

Was war POZW?

Die "Absicherung" des deutsch-deutschen Treffens 1981 lief unter dem Decknamen Aktion "Dialog". Die Leitung lag bei Erich Mielke persönlich, für die Einsatzplanung und Umsetzung zeichneten seine Stellvertreter verantwortlich. Neben zahlreichen Diensteinheiten der Stasi waren auch die Volkspolizei und mehrere Ministerien in die Gesamtmaßnahmen eingebunden. Die Aktion "Dialog" ist gleichsam ein Paradebeispiel für das "Politisch-operative Zusammenwirken" (POZW) unter Federführung der Stasi.

Auszüge aus dem 41-seitigen Mielke-Befehl 17/81 vom 28. November 1981 zur "politisch-operativen Sicherung" des Besuchs von Bundeskanzler Helmut Schmidt in der DDR vom 11. bis 13. Dezember 1981

Quelle: BArch, MfS, ZAIG, Nr. 25139, Bl. 1, 3-4, 9-12

Ein detailliertes Fliessdiagramm. Es zeigt die geplanten Nachrichtenverbindungen während des Besuch von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow. Im Zentrum des Diagramms die Stasi: Bei ihr laufen alle Verbindungen zusammen.

Schaubild der "Nachrichtenverbindungen" im Rahmen der Aktion "Dialog", Dezember 1981

Das Schema gibt einen Überblick über die beteiligten Organisationseinheiten und lässt die Bandbreite des POZW erkennen. Die Hauptregie lag bei der Staatssicherheit, bei der alle Informationswege zusammenliefen.

Quelle: BArch, MfS, AGM, Nr. 2443, Bl. 26

Eine Tabelle, die detailliert aufführt, welche Anzahl von Einsatzkräften an welchem Ort während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow bereitgestellt werden sollen.

Stasi-Tabelle zur Anzahl und Zugehörigkeit der über 35.000 Sicherheitskräfte, die bei der Aktion "Dialog" eingesetzt waren, Dezember 1981

Quelle: BArch, MfS, AGM, Nr. 2443, Bl. 3

Was wollte die Stasi in Güstrow?

Ziel der Stasi-Aktion war es, "einen jederzeit störungsfreien Verlauf" des Kanzlerbesuchs zu gewährleisten. "Sympathiebekundungen" für den Westen und andere "Provokationen" waren unbedingt zu verhindern. Personen mit "feindlich-negativen" Absichten – wie etwa Ausreiseantragsteller − sollten schon im Vorfeld "handlungsunfähig" gemacht werden. Um unerwünschte Kontakte zwischen dem West-Besucher und der Bevölkerung auszuschließen, war nur handverlesenes Publikum zugelassen.

Güstrow, 13. Dezember 1981: Das Publikum entlang der Besuchsstrecke des Bundeskanzlers bestand mehrheitlich aus Stasi-Mitarbeitern, Polizisten und regimetreuen Zivilisten. Das galt auch für den Weihnachtsmarkt.

Quellen: BArch, B 145 Bild-00100468 / Lehnartz, Klaus; BArch, MfS, HA PS, Fo, Nr. 351, Bild 222; BArch, MfS, HA PS, Fo, Nr. 351, Bild 414; BArch, MfS, HA PS, Fo, Nr. 351, Bild 192

Detailierte"Regie"-Anweisungen zum Verhalten der Sicherheitskräfte an ihren jeweiligen Einsatzorten während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow. Ein Punkt lautet: „Im Bahnhof nur klatschen, nicht rufen „Auf Wiedersehen“.

"Im Bahnhof nur klatschen, nicht rufen Auf Wiedersehen!": Anweisungen zum Verhalten während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt am 13. Dezember 1981 in Güstrow (Gedächtnisprotokoll)

Quelle: BArch, MfS, ZOS, Nr. 2441, Bl. 11

Das Dokument beschreibt den Plan von Norbert Denz, beim Besuch von Bundeskanzler Schmidt ein Transparent gegen Atomwaffen zu zeigen. Er wurde bei der Volkspolizei denunziert, die die Information an die Stasi weitergab.

Handschriftliche "Information" des Volkspolizeikreisamts Neubrandenburg für die Stasi, 11. Dezember 1981

Am 11. Dezember 1981 erfuhr die Stasi, dass der Kfz-Schlosser Norbert Denz während des Schmidt-Besuchs in Güstrow "mit einem Transparent demonstrativ in Erscheinung" treten wolle. Um dies zu verhindern, nahm die Stasi Denz am selben Tag in Gewahrsam. Sie verhörte ihn stundenlang, beließ es aber bei einer Ermahnung ("Aussprache") und ließ Norbert Denz nach dem Besuch frei.

Quelle: BArch, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 1088/85, Bl. 8

Beweisfoto der Stasi eines Transparents aus weißem Stoff. links am Bildrand ein Metermaß. Auf dem Transparent eine Aufschrift in schwarzen und teilweise roten Druckbuchstaben: "Raus mit allen Atomwaffen aus ganz Europa!"

"Beweisfoto" der Stasi: Norbert Denz' Transparent mit Protestlosung, Dezember 1981

Quelle: BArch, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 1088/85, Bl. 33

Ein Bericht der Stasi über ihren Einsatz während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow. Die Stasi hält ihren Einsatz für erfolgreich. Die Maßnahmen der Stasi nochmals detailliert rekapituliert und ihr Erfolg konstatiert.
Ein Bericht der Stasi über ihren Einsatz während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow. Die Stasi hält ihren Einsatz für erfolgreich. Die Maßnahmen der Stasi nochmals detailliert rekapituliert und ihr Erfolg konstatiert.
Ein Bericht der Stasi über ihren Einsatz während des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in Güstrow. Die Stasi hält ihren Einsatz für erfolgreich. Die Maßnahmen der Stasi nochmals detailliert rekapituliert und ihr Erfolg konstatiert.

Schlussbericht des ZOS zum Ablauf der Aktion "Dialog", 14. Dezember 1981 (Auszug)

In ihrem Bericht zog die Stasi eine positive Bilanz der umfangreichen "politisch-operativen Sicherung" des Schmidt-Besuchs. So fanden insgesamt 5.875 "Vorbeugungsgespräche" mit potenziellen Störern statt, 10.908 Personen standen "unter Kontrolle", 4.481 Wohnungs­durchsuchungen wurden durchgeführt, 4.811 Personen erhielten Auflagen und durften nicht in die Besuchsregion reisen.

Quelle: BArch, MfS, ZOS, Nr. 2441, Bl. 60-62

Was ist die Kartensammlung des Stasi-Unterlagen-Archivs?

Die Planungskarte zur Aktion "Dialog" ist Teil der Kartensammlung im Zentralarchiv des Stasi-Unterlagen-Archivs. Diese Sammlung umfasst rund 175.000 topografische Unterlagen, die mehrheitlich zum Bestand der Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) gehörten. Es handelt sich um Landkarten, Karten zu Grenzverläufen und zur Kommunikations- und Energieinfrastruktur in der Bundesrepublik sowie Lagepläne, Messtischblätter, Baupläne. Die Außenstellen des Stasi-Unterlagen-Archivs verfügen jeweils über eigene Kartensammlungen aus den regionalen Überlieferungen.

Blick über einen großen Tisch, auf dem Karten ausgebreitet sind. Im Hintergrund Planschränke
Blick auf regalartige Wandaufbewahrungsvorrichtungen für zusammengerollte Unterrichts-Karten.

Kartensammlung im Stasi-Unterlagen-Archiv in Berlin-Lichtenberg, 2023

Quelle: Bundesarchiv / Witzel

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Das Bild zeigt ein Foto zweier Männer, die hinter einer Mauer stehen und mit Ferngläsern in Richtung des Fotografen schauen.
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Schwarz-Weiß-Foto einer Menschenmenge, die einen Panzer umringt, auf dem bewaffnete Soldaten sitzen.
Ein Blatt, auf dem drei Fahrkarten nebeneeinander aufgeklebt sind. Auf der rechten steht in lila Schrift "Rückfahrt".
Ein aus rotem Krepppapier gebasteltes "A", verziert mit getrockneten Blättern.
Handschriftlich verfasstes Textdokument, an einer Stelle ist etwas anonymisiert.
Stasi-Karteikarte in DIN A6, blass gelbfarben.
Abbildung einer auf einem Bettlaken selbst gemalten Fahne der Tschechoslowakei.
Das Polaroidfoto zeigt eine tapezierte Wand vor der ein Telefon steht. Neben dem Telefon ist eine elektronische Apparatur zu sehen. Diese wurde auf dem Polaroidfoto mit einem roten Pfeil markiert.
Ein handschriftlich mit Kugelschreiber beschriebenes Stück Toilettenpapier.
Abbildung eines Aktendeckels, auf einem Aufkleber steht "OPK-Akte", da drunter Registriernummer und andere archivarische Angaben.
Maschinell beschriebener Zettel, auf dem von links unten nach rechts oben ein dicker roter Strich gedruckt ist. Absender ist der Leiter des Amts für Nationale Sicherheit, Bezirksamt Erfurt.
Handschriftliche Planskizze mit den Standort des Toten Briefkastens "Brücke" im Waldgebiet Lührmannwald in Essen und dessen Umgebung im Stadtgebiet.
Karte der Stadt Güstrow, durch die Stasi mit Eintragungen mit Bezug zum bevorstehenden Besuch Bundeskanzler Schmidt in Güstrow versehen. Aufgeklebte Fotos zeigen die geplanten Stationen der Besucherdelegation im Stadtgebiet, farbige Markierungen zeigen markieren Einsatzorte und Bereitstellungsräume der Sicherheitskrafte.
Karteikarte im Format DIN A4 quer mit persönlichen Angaben zu Erich Mielke.
Handschriftliche Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit der Stasi als IM Gerhard von Rainer Schedlinski, Seite 1
Anscheinend unbemerkt gemachtes Schwarz-Weiß-Foto zweier Männer, die ein Gebäude betreten.
Das Blatt aus dem Fotoalbum trägt die Überschrift: "Liebevolle Fürsorge für unsere Kleinen - schaffen froher Ferienerlebnisse bei Sport und Spiel - das sind auch unsere Aufgaben". Das Blatt zeigt sieben Fotos. In der Mitte ist Erich Mielke mit Mädchen in Turntrikots zu sehen, die er anscheinend auszeichnet. Die anderen zeigen Kinder in einem Kindergarten und Junge Pioniere im Ferienlager, unter anderem bei einem Appell, beim Sackhüpfen und bei militärischen Übungen mit einem Kinderpanzer und Kindersturmgewehren.
Bedrucktes Stoffstück, auf dem ein Fisch abgebildet ist, der aus dem Wasser herausschaut. Der untere, sich im Wasser befindliche Teil des Fisches besthet nur aus Gräten. Darüber steht der Text "Umkehr zum Leben", darunter "1. Pleißegedenkumzug, 5. Juni '88, Weltumwelttag
Zwei uniformierte und bewaffnete Soldaten stehen in einem Hof neben einer Plakette, die an die dort stattgefundene Ermordung Ernst Thälmanns erinnert. Vor und neben ihnen ist eine Vielzahl von Blumengestecken und Blumenkränzen.
Der Zettel ist mit Eintragungen, Stempeln und Unterschriften der zahlreichen Stellen übersäht, die Flüchtende im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde zu besuchen hatten.
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